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Schweizer Fachzeitschrift
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Die Schweizer Schule

Ausbildungskultur und Kultursubventionen

Die Schweizer Schule

Wo sich alles und jedes in der Ausbildung um PISA dreht, ist es wohl angebracht, einmal ernsthaft darüber nachzudenken.

RALF TURTSCHI Aus- und Weiterbildung sind heute tradierte Begriffe, denen die Zeit langsam davonläuft. Mit Ausbildung wird die Grundausbildung, der Einstieg in die Berufswelt verstanden. Dem Begriff Weiterbildung liegt die Karrierevorstellung zugrunde, ab und zu steht dafür auch Einbildung. Setzen wir uns einmal näher mit der Ausbildung auseinander. EinZombie ökonomisches Ziel ist die Integration neuer Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt, zwecks Sicherung der Sozialwerke und unseres Wohlstandes. Die Ausbildung wird getragen von der Wirtschaft und vom Staat, der zuweilen jedoch den Zweck der Ausbildung aus den Augen zu verlieren droht. Damit der Staat im internationalen Wettbewerb bestehen kann, macht er bei der so genannten PISA-Studie (Protect Invalid Substance Award) mit. Da wird unter anderem auch die Fähigkeit zu lesen geprüft. In der Legas­teenie-Skala schneidet der durchschnittliche, zu gut 40% ausländerdurchsetzte Schüler ebenso durchschnittlich ab. Wen wunderts? Bei den Auflagen von «Fix und Foxi», «Bravo» und «Gala» in Kombination mit TV und Videogames müsste man eigentlich die Fähigkeit testen, Bilder zu lesen.

Surfen wir nun hinüber in unsere Branche. In den «Typografischen Monatsblättern», Ausgabe 5/6 2004, durften sich vier fachhochgeschulte Ausbildungsstätten zum Thema «Typositionen» ins rechte oder linke Licht rücken: Bern/Biel, Basel, Lausanne und Stuttgart. In die Landkarte der Schweiz werden alle 900 ­Coop-Filialen mit einem Kreuzchen eingezeichnet. Können Sie sich die Karte vorstellen? Was für ein feines Muster entsteht! Total praxisorientiert und gleich anwendbar. Neben den Kreuzchen alle Fachhochschulen mit einem langen, langen Würmchen zu versehen, ist den Professoren nicht eingefallen.

Dabei sind all die Fehler in der Typografie (Typositionen!) und die unsorgfältige Rechtschreibung ein Schlag ins Gesicht aller, die sich ausserhalb der geschützten Werkstätten um redliche Gestaltung bemühen. Gesetzt wird nämlich optimal lesefreundlich mit Helvetica Ultra Light, 8 Punkt, versal, oder mit Courier über eine Satzbreite von 20 cm. Ein kleiner Unterschied, die Typografie zu beherrschen und die Regeln zu brechen, als die Regeln zu brechen, weil mans nicht besser weiss. Eine rechte Comedia, ungeheuerlich! Die Basler lamentieren dafür: «Die Käseherstellung wird 3-mal höher subventioniert als die Kulturförderung.» Das ist auch gut so. Sind wir nicht auch subventionierbare Kulturschaffende? Laben wir uns etwa am Subventionstopf?

Ein weiteres Beispiel? Im Internet werden als Installation digitale Unterschriften der Besucher spiralförmig zu einem Turm aufgehäuft, ein tolles Bild. Toll ist meine Vorstellung, derart upgespacte Schulabsolventen vor die Aufgabe zu stellen, ein Logo, ein ganzes Erscheinungsbild, ein Plakat oder einen Produkteprospekt zu gestalten. Aber keine Sorge, der gleiche Staat, der seine Jugend so ausbildet, sorgt vor. Für jobsuchende Schulabsolventen gibt es ja die Arbeitslosenversicherung. In der Politik sitzen ja, wie man hört, ausnehmend viele Lehrer, die sich für eine nachhaltige Betreuung der schliesslich Ausgesteuerten einsetzen.

Zum Fachlehrer wird man nicht durch einen praktischen Erfahrungsschatz, sondern durch eine angemessene theoretische Ausbildung. Lehre mit Berufsmatur, Ingenieurstudium mit Praktikum, Studium an einer pädagogischen Hochschule, Fachlehrer, so einfach kann auf dem Bildungsweg Praxis verloren gehen. Aber die Hochschulen liebäugeln eben mit der Avant Garde, wie schon in der Nach-Bauhaus-Ära, als sich die Schweizer Schule zu Weltruf aufschwang. Reduktionistischer Spieltrieb und unendliche Experimentierlust bis zur Praxisuntauglichkeit. Was an Ausbildungsbedürfnis noch übrig bleibt, schulen wir Betriebe dann schon, zum Beispiel den Gebrauch unserer Alltagswerkzeuge wie Creative Suite oder PDF.

Eine andere Schweizer Geschichte läuft in die gleiche Richtung. Sie kennen inzwischen Hirschhorn. Hirschhorn ist der, der in Paris Christoph Blocher bepinkeln liess, dafür 180000 Franken kassierte und andere dafür büssen lässt. Bekam da einer für seine Spraye­reien nicht vor Jahren eine Haftstrafe aufgebrummt? Prost Naegeli, aber der war halt kein Hirsch! Ich habe im Fernsehen die Ausstellung mitgekriegt. Da hat er doch tatsächlich seine gesamte Märklin-Eisenbahnanlage in dieses braune Klebeband eingewickelt. Nicht nur das, er hat das ganze Mobiliar eingewickelt, sein Kanapee, die Sessel, Geschirr, alles sah nach Ramsch und Brocki aus, ein Blocher war auch darunter. Jetzt hat er die 180000, und darf sich à la Christo an grössere Objekte wagen, an Ledergruppen von de Sede oder Rolf Benz. Auf dem Weg dahin kann er ja die sieben Bundesräte einwickeln, den Ständerat hat er bereits. Einfach genial, wie der die Politik instrumentalisierte. Ein Skandälchen, wie es schon Stefan Sagmeister vormachte. Dieser ritzte sich unter Qualen eine blutige Botschaft auf den Körper, die er dann publizierte. Der Ruhm trug ihn in sonst unerreichbare Höhen, die Gefolgschaft der Medien war ihm fortan sicher.

Wenn Sie also wirklich erfolgreich sein wollen, dann wälzen Sie sich vor der «Schweizer Illustrierten» im eigenen Kot und machen ein Offset-Bodypainting auf die Papierollen der 1.-August-Ausgabe. Rubbel- und Duftdruck ist sowieso gerade en vogue. Ich garantiere, wenn Sie nicht gleich an die nächste Fachhochschule berufen werden, dann werden Sie wenigstens marktwertsteigernd auf den ebenso wichtigen Events von Dagmersellen bis Villars-sur-Glâne herumgereicht. Nun, was sagte ich? Wir Schweizer machen Schule. Wir sehen uns dann in Villars-sur-Glâne.

 

P.S.: Turtschi als R2D2: Das Making-of der Verwandlung ist hier dokumentiert.